Europäische Kooperation, adé!

Kooperation

Das kommende Ende der deutsch-niederländischen Luftverteidigungsfregatten

Die Deutsche Marine lässt im Rahmen der Entwicklung der übernächsten Fregattengeneration alte Grundsätze zurück.
Die berühmte „Goldrandlösung“ soll es bei den Fre­gatten der zukünftigen F 127er-Klasse nicht mehr geben. Vize­admiral Carsten Stawitzki hat hierzu deutlich gemacht, dass Geschwindigkeit wichtiger sei als Perfektion.
Das stellt die wehrtechnische Industrie vor die Herausforderung, schnellst­möglich Lösungen anbieten zu müssen, um beim übernächs­ten Großprojekt der Deutschen Marine bei der Auswahl von Systemen und Subsystemen berücksichtigt zu werden.
Die F 124-Nachfolger werden aller Voraussicht nach von thyssen­krupp Marine Systems gebaut und konzipiert. Wer die Effekto­ren und Sensoren zu liefern wird, steht noch nicht fest, aber das Feld lichtet sich.

Eine deutsch-niederländische Kooperation zur Auswahl der Sen­soriken, wie es sie bereits beim Bau der deutschen F 124 und der niederländischen LCFs gegeben hat, wird auf Grundlage der neuen Maxime „Schnell ist besser“ unwahrscheinlicher.
Trotz einer 2021 unterzeichneten Absichtserklärung zwischen beiden Verteidigungsministerien droht diese an der Auswahl der Senso­rik und Effektoren zur Luftabwehr zu scheitern. Die jetzige Gene­ration ist ausgestattet mit Systemen der Firma THALES (Hengelo, NL). 

Das markante SMART-L Radar, welches sich mit seiner schwar­zen, rechteckigen Silhouette über dem Hangar der Schiffe der SACHSEN-Klasse befindet, ist mittlerweile auf mehreren Schiffen europäischer Marinen verbaut.
Das europäische konkurriert mit dem US-amerikanischen System AEGIS des Herstellers Lockheed Martin. Zurzeit sieht alles danach aus, als ob es eine starke Prä­ferenz der deutschen Beschaffer für dieses System gibt. Neben Deutschland überlegt Dänemark die Beschaffung von AEGIS für die Einheiten der nächsten Generation.

Neben den technischen Abwägungen bleibt eine strategische Abwägung: Setzt man auf Gesamtsysteme aus der EU oder den USA? 
Die Beschaffung eines US-amerikanischen Systems birgt ein Risiko: strategische Autonomie. Strategische Autonomie wird eine Kernaufgabe der europäischen Streitkräfte werden und in der Zunahme multidimensionaler Konflikte weltweit an Bedeu­tung gewinnen.
Hierbei muss Deutschland Redundanzen min­destens auf dem europäischen Festland schaffen, um materiellen Nachschub im Krisenfall suffizient aufrechterhalten zu können. 

Im Falle der F 127 ergibt sich folgendes Problem: Lockheed Martin sieht derzeit eine eingeschränkte Raketenauswahl für AEGIS vor. Das hieße aktuell für die französischen Raketen von MBDA, dass bei einer Nicht-Zulassung für das AEGIS-System durch Lockheed Martin eine europäische Alternative für die F 127 wegfällt. Dies würde der strategisch-materiellen Autonomie einen Bärendienst erweisen und die Redundanzbildung erschweren.

Eine Auswahl europäischer Effektoren und Sensoren hätte stra­tegisch weniger Variablen. Frankreich und Italien kaufen die SMART-L Radare von THALES ein und werden diese in ihre Flotte integrieren.
Je mehr europäische Nutzer es in Europa der hiesi­gen Systeme gibt, desto mehr positive Synergieeffekte entste­hen für die militärische Interoperabilität als auch für den euro­päischen Binnenmarkt. Es stellt sich die Frage, ob eine „Off­the-Shelf-Lösung“ langfristig die beste und kostengünstigste Gesamtlösung sein wird. 

Bei einer geplanten Nutzungsdauer der F 127-Plattform von 30Jahren bleibt eine Abhängigkeit von US-amerikanischen Zulieferern und Preisen langfristig bestehen. Mehr Flexibilität, was die logistischen Aspekte und die Auswahl der Effektoren betrifft, hätte eine Fortführung der Nutzung der niederländisch-französischen Systeme von THALES.
Schlussendlich heißt eine Beschaffung von Gesamtsystemen für die F 127, dass im Entscheidungsprozess nicht nur eine Abwä­gung technischer Faktoren vonnöten ist, sondern im Zweifel auch eine Abwägung politischer und volkswirtschaftlicher Faktoren erfolgen muss, die mitunter ein Risiko für die Nutzungsdauer darstellen. Wie sich dieser Beschaffungsprozess weiter ausrollt, bleibt kritisch zu begleiten.

*Frithjof Mess, B.A. ist Account Manager für den Bereich Defence & Naval Affairs und Handlungsbevollmächtigter im wehrtechnischen Unternehmen SCOPE Engineering GmbH aus Kiel. Er hat Politikwissenschaft und Geschichte an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel studiert und ist beorderter Reserveoffizier im Stab der 1. Einsatzflottille.